Eines Morgens riechst du den Herbst





“Verweile doch! du bist so schön!”
Ich möchte festhalten am Spätsommer. Von einer inneren Wehmut bin ich befallen, die dieses Loslassen immer mit sich bringt. Umgeben von dieser Schönheit, die nur der Spätsommer hat. Und wie er uns verwöhnt mit goldener Sonne. Mich noch einmal richtig kosten lässt von der Leichtigkeit, der Pracht und der Fülle. Doch da ist auch etwas Schwere, die Kraft, die meine Energien in die Wurzeln zieht. Dieses Verlangen nach Einkehr. Noch nicht ganz. Einen Moment länger noch möchte ich im Jetzt verharren. Im Sommer. Ich gehe mit einer lieben Freundin essen, ich mache mit der Familie einen Ausflug zur Leitzach. “Verweile doch! du bist so schön!” (Goethe, Faust) möchte ich die ganze Zeit rufen, jeden Moment anhalten und in seiner Vollkommenheit auskosten. Noch einmal draussen Essen, in der Hängematte schaukeln, noch einmal Röcke über den nackten Beinen flatternd tragen, in der Sonne schwitzen, das leuchtende Orange der Mohnblumen bewundern.





Gleichzeitig rieche ich den Herbst. ich spüre ihn. Ich sehe ihn. Tautropfen am Morgen im Gras und auf den Blumen, Nebelschwaden vor pastelligem Himmel. Es wird früher dunkel. Die Sommerferien sind vorbei. Ich bin umgeben von einem Hauch von Melancholie.
Wie bereitest du dich auf den Herbst und die dunkle Zeit des Jahres vor?
In einem Online Kurs, den ich gerade mitmache, zur Inspiration, 30 days of harvest, war die erste Frage: “How are you preparing for Autumn and the dark time of the year?” Ich war kurz entsetzt über diese Frage. Möchte ich doch gerade den Sommer festhalten, die Zeit anhalten, den Moment auskosten. Aber dann habe ich es gemerkt. Genau so bereite ich mich auf die kommende dunkle Jahreszeit vor: ich sammle Farben. Wie Frederick. Ich geniesse die Schönheit, ich sauge sie in mir auf, ich fotografiere, ich schaue hin, ich versuche sie in Worte zu fassen, mit Gefühlen in mir drin zu verknüpfen. Um mich dann, im späten Herbst und im Winter, im November und Dezember, wenn alles grau scheint, zu erinnern, daß da Farben sind, da Wärme ist. Ganz in mir drin.
“In the midst of winter, I found there was, within me, an invincible summer.” Albert Camus



9 Kommentare
Sabine
Wie immmmer, wunderschöne Bilder und Stimmungen..
Marion
Ich liebe es, bei dir zu lesen – immer und immer wieder!!!
Herzliche Grüße
Marion
sternenglück
So schöne Zeilen. Ich möchte ihn auch festhalten, den Sommer. Ganz darin eintauchen, den strahlend blauen Himmel genießen, die Wärme spüren… wir leben draußen, ich kann so gut nachfühlen was du sagst.
Genieße die Zeit! Lg Sternie
frau siebensachen
oh ja, genau so: noch einmal!
ich kann ihn auch noch nicht loslassen, den sommer mit seiner wärme, dem licht und dem unbeschwerten draussensein. aber dann, wenn es herbst wird, dann wird es erstaunlicherweise gut sein, und ich weiß ich hab genug “getankt” für die die dunkle jahreszeit
lg
Heidi
So ein schöner, poetischer Text!
Katrin
Wunderschöne Worte die meine Spätsommerstimmung ziemlich genau wiedergeben. Danke dafür!
Beste Grüße Katrin
brigitte
Danke ,fürs verweilen…wunderbare Stimmungen eingefangen ,von Dir….
Danke fürs teilen….
l.g.Brigitte
Taija
Wie schön!Der Text und die Bilder….
Meine Herbstmomente bestehen aus draußen-den-Wind-spüren, dann nach Hause kommen und Tee kochen, stricken, miteinander sein,lesen…und ein bisschen sortieren, was ich im Sommer so gesammelt, gesehen und erlebt habe.
Liebe Grüße und einen schönen Herbst, Taija
Isabelle
Herbst – von Rainer Maria Rilke
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Wunderschön was du -liebe Ramona- über den Herbst und den Spätsommer geschrieben hast. Genauso empfinde ich es auch. Wir kommen aus der absoluten Fülle, der Farbenpracht, strahlendem Licht und darinnen plötzlich mit einem fallendem, verwelktem Blatt, Nebel am Morgen, reisenden Wildgänsen auch die Ahnung, dass der Abschied und die Dunkelheit naht. Einerseits schmerzlich andererseits birgt es auch etwas magisches, geheimnisvolles. Als wäre der Herbst eine Vorbereitung auf das ganz große Fallenlassen in die Dunkelheit, um aus ihr neu geboren zu werden. Der Kreislauf des Lebens.
Obwohl sie immer wieder schmerzlich ist, liebe ich diese Zeit.
Wie schön, dass du daran erinnerst, bewusst die Übergänge spürst und sie mit deinen wunderbaren Bildern und Worten hier teilst!
Danke!
Isabelle