Die Muss-Diät
Vor einigen Jahren las ich in einem Trainingsbuch zur gewaltfreien Kommunikation mit Kindern über das Müssen in unserem Leben. Oft sagen wir “Ich muss noch dies, ich muss noch jenes”. Und wie sich das für die Kinder anhören mag. Welch Spaßloses Leben wir Erwachsenen doch führen, wo ich soviel muß. Denn eigentlich muß ich ja gar nichts. Es ist immer meine Entscheidung. Es hat lediglich Konsequenzen, wenn ich etwas tue oder eben nicht tue. Aber es ist immer noch meine Entscheidung, was ich dann daraus mache.
Ich habe nach dieser Lektüre begonnen, das Wort ‘muß’ aus meinem Wortschatz zu streichen. Es gelingt mir nicht immer, aber ich bemühe mich, so wenig wie möglich zu müssen. Es klingt doch viel schöner, zu sagen: “ich möchte noch aufräumen (weil ich es gern ordentlich habe)” als “ich muß noch aufräumen”. Durch diese kleine Veränderung in deinem Denken und Sprechen wirst du Chef über dich selbst. Mit deiner Haltung kannst du bestimmen, wie du deinem Alltag und seinen Herausforderungen begegnest. Du hast die Entscheidung. Die Wahl, wie du dein Leben gestaltest.
Im Workshop sprach Dharma Singh ganz am Ende genau dieses Thema nochmal an. Er erzählte noch ein zwei Geschichten drumherum und schlug uns vor, eine Muß-Diät zu machen. Nach und nach das Wörtchen ‘muß’ aus unserer Sprache herauszunehmen.
Probier es mal und schau, was es mit dir macht. Wie geht es dir damit?




18 Kommentare
subs
Das klingt interessant. Ich “muss” auch vieles, das nervt mich teilweise schon selbst. Genauso wie ich immer sage ich MUSS SCHNELL …. das mit dem schnell versuche ich bereits mir abzugewöhnen, vielleicht sollte ich das muss vorher direkt noch mit wegpacken. Danke für die Anregung!
Sybille
Ganz deiner Meinung! Ich habe das in unserer Montessorischule gelernt und dann bei der Selbstbeobachtung festgestellt, dass ich tatsächlich viel zu oft auf diese Weise sprach (zu mir, zu anderen), ganz unbewusst, aber eine andere Wortwahl macht doch einen großen Unterschied aus!
P.S. – Was für ein schönes, direkt magisches Foto von dem Brutblatt. Meine haben heuer noch keine “Babies” gebildet, ich hoffe das kommt noch.
Juliane
Liebe Ramona,
Du sprichst mir mit Deinem Post aus dem Herzen. selbstverständlich gibt es vieles, das man machen muß. Ein Baby muß gewindelt werden, die Miete muß bezahlt werden, und wenn jemand bei mir eine Puppe bestellt hat, dann muß die auch fertig werden. Es gibt aber auch vieles, das man machen darf. Man darf einen Kuchen backen, obwohl ein frischer Tortenboden vom Bäcker auch nicht schlimm ist. Die Bücher alle fototauglich nach Farben sortieren, obwohl ein bißchen Unordnung im Regal auch nicht schadet. Einen Sommerrock fürs Kind nähen, obwohl es ja eigentlich eine komplette Garderobe im Schrank hat. Dem Onkel ein dickes Geburtstagspaket schicken, obwohl ihn die liebe Karte auch freuen würde.
Auch ich sage zu oft “ich muß”, und das leider gerne in Verbindung mit “noch schnell”. Auch ich versuche oft, das Wort “muß” mit “möchte” zu ersetzen und mich daran zu erinnern, daß ich viele Sachen, die ich glaube zu müssen, machen darf. Das gelingt mir nicht immer, aber das muß es auch nicht. Es darf.
Liebe Grüße,
Juliane
Frische Brise
Oh ja, das mache ich schon sehr lange so!
Spätestens seit meine Mutter gestorben ist, weiß ich, dass jeder Tag ein Geschenk ist und ich leben DARF.
Da gehören halt auch die, teils unbeliebten, Kleinigkeiten dazu. Ich DARF sie tun, weil ich LEBE.
Laura
Heute morgen habe ich meine Tochter in den Kindergarten gebracht, da läuft ein Passant uns vorbei und sagt “Na, musst Du jetzt in den Kindergarten?”, sie schaut ihn an und sagt “Ich muss nicht, ich darf in den Kindergarten.”
Seit einiger Zeit mache ich eine MUSS -Diät und sie tut so gut. Mir ist es bewusst geworden, was ich mit meinem ständigen MUSS kommuniziere, als meine Kinder Dinge gefragt haben wie “Mama, musst Du heute arbeiten?” (ich darf – ich liebe meine Arbeit!) oder “Müssen wir heute noch einkaufen?” (das liebe ich nicht, aber ich lebe immerhin mit dem Luxus einkaufen zu können, wenn ich finde dass wir etwas benötigen, also darf ich).
So ist die MUSS-Diät nicht anstrengend für mich, sondern eine Art Achtsamkeits-Übung für meinen Alltag und ich stelle häufig fest, wie gut es mir geht, weil ich vieles (selbst entscheiden) darf.
Hast Du das Buch “Mit Kindern wachsen” gelesen?
Liebe Grüße, Laura
Martina
Liebe Ramona, danke für Deinen Gedankenanstoß. Ich bemerke gerade, dass ich in letzter Zeit schon wieder sehr ins “müssen” abgeglitten bin. Ich muss, nein ich WILL das jetzt wieder achtsamer handhaben. ;-)
Alles Liebe, Martina :-)
caro
Das stimmt, dieses kleine Wörtchen bringt ganz andere Energien in die Sätze! Ich versuche auch schon seit längerem darauf zu achten, es zu vermeiden. Genauso wie das “man”, wenn es eigentlich um mich oder konkret andere Menschen geht. “Und dann ist man doch irgendwie traurig, wenn es vorbei ist.” Warum sagt man das eher so, anstatt “Ich bin traurig…”? Das fällt mir immer wieder auf… Es gibt so viele Floskeln, die so daher gesagt werden. Spätestens seit meiner Ausbildung zur systemischen Beraterin wird mir das immer deutlicher und ich übe mich daran, sie aus meinem Sprachschatz zu streichen…
Liebe Grüße von Caro
irkaxx
jaaaa, ich darf… aber auch “ich will” Das “Muss” und das “du sollst” (was ich vor allem aus Kirchenkreisen kenne – da vor allem “Du sollst nicht”) sind auch bei mir tief verankert und die Freiheit eines “Ich darf”, “Ich möchte” oder “Ich will” ist sehr belebend und macht auch viel mit uns selbst. Eine Übung im Alltag, Achtsamkeit gegenüber der eigenen Sprache und der Sprache der anderen… Sehr schöner Anstoß! Danke!
irka
Katrin
Mir ist damals in der Kommunikation mit meinem Kind aufgefallen wie doof, traurig, eingezwängt das klingt und da habe ich von selber alles müssen in wollen umgeändert. Ich will jetzt aufräumen, ich will noch die Wäsche machen, ich will noch eben den Müll raus bringen… Und der Papa will zur Arbeit. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Klar ist es für uns alle blöd, dass er tagsüber nicht mit uns zusammen sein kann. ABer mag seinen Job, wir möchten das Geld haben und gehen deshalb gerne diesen Kompromiss ein. Wir haben uns bewusst dafür entschieden (und arbeiten trotzdem daran, dass wir genug Geld verdienen können und gleichzeitig den Papa mehr zu Hause haben können). Und ich hatte auch einige Gespräche mit meinem Kind darüber, ob wir Dinge tun müssen oder ob wir uns dafür entscheiden…
alasKAgirl
Ganz ähnlich ist “ich hab keine Zeit!” Ich habe mal gelernt “ich hab keine Zeit” bedeuted eigentlich “mir sind andere Dinge wichtiger”. Schon die positivere Formulierung macht, dass es einem besser geht damit. Z.B. könnte ich sagen: “ich habe keine Zeit joggen zu gehen.”, tatsächlich sage ich aber “wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, ist es mir wichtig die Zeit bis zum Schlafen gehen mit meinen Kindern zu verbringen.” Wäre mir das Joggen wichtiger, würde ich joggen.
Auf das “müssen” im Wortschatz achte ich mal. Das interessiert mich.
Frische Brise
Und psssst, das Wort “Diät” kommt mir auch nicht in den Wortschatz ;-)
Nadine
Danke für die Erinnerung!
Ich habe es auch immer wieder versucht. Da fällt erst mal auf wie oft man das Wort überhaupt verwendet. Es ist gar nicht so leicht es zu streichen. Vor allem im Umgang mit Kindern, die “müssen” auch schon immer so viel.
Ich “muss” mich da mal wieder drin üben. Danke!
Julia
Wir sagen “muss”, weil wir diese tiefe Bedeutung des Wortes in dem Moment gar nicht begreifen. Danke für diesen Atikel. Ab sofort versuchen wir auch weniger zu “müssen”. LG Julia
anitaswelt
Stimmt, das hat etwas ^^ bewusst eliminiert habe ich bisher das liebe Wörtchen “schnell”. Werde ich im Büro gefragt “könntest Du nicht schnell…” sage ich jeweils, ich kann, aber nicht schnell. Seither fühle ich mich sehr viel weniger gestresst.
Ich danke für die Inspiration zur Muss-Diät und probiere diese gerne aus. Dazu möchte ich gerne einmal mein Buch zum Thema gewaltfreie Kommunikation durcharbeiten.
Isla
Das ist eine schöne Anregung. Ich werde da heute mal drauf achten (ich wollte auch grade wieder ‘ich muss’ schreiben), wie oft ich ‘MUSS’ sage.
In dem Kindergarten, in dem wir am Anfang kurz waren, da ‘durften’ die Kinder immer am Schluss aufräumen. Hörte sich auf alle Fälle netter an, auch wenn es natürlich hieß, dass sie es sollten/mussten.
Und mein Sohn hat mir schon einige Male gesagt, dass man im Leben eigentlich nichts ‘muss’. (außer am Ende zu sterben; hat er wahrscheinlich irgendwo aufgeschnappt, aber die Diskussion darüber war sehr spannend.)
In diesem Sinne MÖCHTE ich heute eine ganze Menge erledigen, :-) und wünsche euch einen wunderschönen Sommertag!
lg
Isla
langsam leben
Bei meinen Versuchen weniger zu müssen und mehr zu wollen ist mir aufgefallen, dass das manche Mitmenschen irritiert: “Ich muss heute noch einkaufen” klingt als ob es von höherer Stelle angewiesen wurde, da kann man nichts gegen machen. “Ich will heute noch einkaufen” scheint aber teilweise so anzukommen, als ob man seine Pflichten entweder schon erledigt hat oder vernachlässigt, denn schließlich kommt erst das MUSS und dann das WILL, bzw. erst die Arbeit und dann das Vergnügen.
Ich will trotzdem weniger müssen, das ist einfach ehrlicher.
linnea
ich habe es heute mal versucht, vielen dank für diese anregung – mich macht nachdenklich, dass ich sehr häufig von “müssen” spreche. mein sohn hat “mama möchte gern…” “ich will” etc. auf jeden fall deutlich besser aufgenommen als “ich muss noch…”
liebe grüße
linnea
Nina
Wunderbar! Das ist wieder mal eine Sache der Achtsamkeit, genau! Wir müssen nicht immer müssen, es ist so unglaublich negativ behaftet. Ähnlich mit dem Wort “Nein” in puncto Kindererziehung, ich achte bereits lange bewusst darauf, all die vielen, unnötigen Neins zu vermeiden. Um dann lieber Alternativen aufzuzeigen und anderes interessant zu machen als nur dieses dumpfe “Nein”. Müssen ist ähnlich. Ich habe mir das bisher noch gar nicht bewusst gemacht – muss ich wirklich noch den Haufen Bügelwäsche wegschaffen heute? Nein, MUSS ich nicht, aber vielleicht habe ich später Lust dazu, endlich frisch gebügelte Wäsche im Schrank zu haben. Und wenn nicht, dann morgen. Aber wenn ich meine, zu MÜSSEN, dann ist es eine regelrechte “Niederlage” es heute mal wieder nicht geschafft/ gewollt zu haben…das schafft Druck, den ich gar nicht haben will und muss… Danke für diese Gedankenanregung!!
Liebe Grüße, Nina