Elternabend
Am Montag war Elternabend im Kindergarten.Es war der erste, an dem ich dabei war. Und er war total anders, als ich einen Elternabend erwartet habe.
Normalerweise nimmt der Mann diese Abendtermine wahr und ich bleibe zu Hause bei der Bande. Nun ist der Mann grad auf Geschäftsreise und meine Mama hier zu Besuch. Also konnte ich hingehen. Der Kindergarten hat 3 Sorten von Elternabenden. Einen strukturellen, wo es um organisatorische Fragen geht, einen inhaltlichen, wo es pädagogisch zugeht und einen Elterngesprächskreis, wo Eltern Fragen mitbringen können, die dann in gemeinsamen Gesprächen erörtert werden. Zusätzlich gibt es natürlich noch persönliche Elterngespräche, wo es um die Dinge geht, die das eigene Kind betreffen.
Ich kam in den Raum und fand die Eltern an den Tischen verteilt in Grüppchen sitzen. Es gab drei Stationen und wir wurden aufgefordert, uns an allen drei Stationen eine Weile zu beschäftigen. Mit Dingen, die uns normalerweise nicht so geläufig sind, die wir im Alltag eher nicht tun.
Station 1
Hier kam es Mathe. Rechnen in verschiedenen Systemen. Mit diversen Abakusen, Wurzelbrett, Tauschsystemen, japanischen und chinesischen Rechentafeln. Ich war ganz aufgeschlossen und liess mir die diversen Syteme mit unechtem und echtem Tauschen erklären. Merkte aber sehr schnell, daß ich das doch nicht so leicht verstand und wie etwas in mir rebellierte und bockig wurde (“warum soll ich mich jetzt hier mit Mathe beschäftigen?” “Mit etwas, was ich nicht von mir aus möchte?” Etc Etc). Sah man mir wohl auch an. Nach relativ kurzer Verweildauer wechselte ich also zu einer anderen Station.
Station 2
Dechiffrieren. Es gab eine Anlauttabelle, wie die Kinder sie auch haben. Allerdings waren statt der üblichen Buchstaben eine frei erfundene Zeichensprache. Zusätzlich lagen mehrere Texte/Gedichte in besagter Geheimschrift auf dem Tisch und die Aufgabe war, mit Hilfe der Tabelle, die Geheimschrift du entziffern und die Gedichte so lesbar zu machen. Das ging ganz gut, Herausforderung waren einzig die teilweise recht unleserlichen oder sich ähnelnden Zeichen.
Station 3
Als ich damit fertig war, setzte ich mich schliesslich doch an den weiteren Tisch, wo man mit der Bandzugfeder Fraktur schreiben konnte. Heimspiel, nannte es der Kindergärtner. Ich schrieb also ein bisschen lustlos gebrochene Lettern auf das Papier, lauschte den Gesprächen der anderen Muttis und horchte immer wieder in mich herein, ob ich das jetzt gut oder totale Zeitverschwendung finden soll. Mein Ego versuchte das da alles in eine Schublade einzusortieren und fand keine, was mich recht ungeduldig machte.
Aber am Ende gab es natürlich noch eine kleine Feedbackrunde über das, was wir da so erlebte an den einzelnen Stationen. Wie wir mit Lernfenstern, Erfolgen, Mißerfolgen und überhaupt mit neuen Themen so umgehen. Und dann natürlich hinspüren, wie es unseren Kindern da so geht. Wenn sie schreiben lernen. Oder Zahlen. Oder Sprache.
Am Ende war es ein sehr aufschlussreicher Elternabend. Und er wirkt nachhaltiger als eine reine Theoriestunde. Ich bin immer noch ganz angetan. Der Mann hat ja schon einige miterlebt. Einmal zB gab es Partnerübungen, wo sich die Eltern gegenseitig einen Pullover und Socken anziehen mussten und mal fühlen, wie sich das anfühlt. Welche Technik wir da so anwenden. Wie es dem Kind dabei geht. Eine tolle Methode, zu erkennen, einfühlsamer und achtsamer mit den Kindern umzugehen. Der Elternabend wird auf jeden Fall noch eine Weile nachwirken. Meine eignen Muster und Reaktionen zu beobachten. Und immer wieder zu reflektieren. Danke!



5 Kommentare
Sybille
Das kann ich gut nachempfinden. Mir ging es ähnlich bei manchen Elternabenden in unserer ehemaligen selbstverwalteten Montessorischule. Es war einfach auch anstrengend, am Abend nochmal rausmüssen und sich mit – bestimmt sehr interessanten und aufschlussreichen – Inhalten zu befassen: man war müde und machte dies mehr aus einem Pflichtgefühl heraus. Was mich betrifft, hatte ich viel mehr Zugang zum Material während des Putzens der Schule alle zwei Wochen, denn da wurde alles in die Hand genommen und betrachtet, ich fragte mich wie das wohl funktioniert, forschte und probierte herum…. wie Kinder eben… mehr spontan, nicht zu einem besonderen Anlass, sozusagen “fremdbestimmt”. Mit der anderen Putz-Mama rätselte ich herum und es war so toll, wenn wir die Funktion eines Materials von alleine herausbekamen. Ein ganz anderer Aha-Effekt! Wie eben Kinder, die sich spontan mit etwas beschäftigen und nicht weil es ihnen jemand aufträgt.
Aber klar gab es auch Eltern, die einfach nur geputzt haben und nicht so neugierig waren, oder die das Putzen delegiert haben und das Material gar nicht zu Gesicht bekamen: für solche war es schon sehr wichtig, dass es diese Elternabende (Material-Abende genannt) gab.
Katharina
Wir hatten auch einmal so einen Elternabend im Montessori-Kinderhaus. Allerdings waren da sämtliche Bereiche mit PädagogInnen besetzt und man konnte nach freier Wahl ausprobieren und kennen lernen – und auch essen gehen wie und wann man mag (es gibt an allen Elternabenden richtig gutes Essen – ich vermute, deswegen sind sie immer so gut besucht ;-) . Es ist auch immer Möglichkeit, für die Kinder Material herzustellen. Das letzte Mal hab ich an einem Riesen-Schwungtuch aus Zeitungspapier mitgeklebt. Aber ich denke, es ist auch sehr aufschlussreich, wieder einmal zu spüren, wie sich alles in einem sträubt, wenn man etwas “machen soll”. Ich denke, das Gefühl kennen Kinder allzu gut. Meistens geht bei uns auch der Mann, aber in letzter Zeit verbringen beide Kinder die Abendstunden so gern mit ihrem Papa, sodass ich auch einmal gehen kann. Fraktur schreiben wäre für mich jedenfalls eine ziemliche Herausforderung gewesen….
Alles Liebe, Katharina
Julia
Dieser Beitrag hat mich heute besonders berührt. Mein Sohn wird noch von mir betreut. Ich werde mir morgen bewusst beim Anziehen, Spielen etc. Gedanken machen, wie er die jeweilige Situation v.a. körperlich empfindet. Das kommt im Alltagsgeschehen so oft zu kurz. Danke (auch für Deinen inspirierenden Blog)!
cecilia
… aus deinem artikel wird mir nicht klar, ob der kindergarten es sich so gedacht hat: ging es tatsächlich um das hinspüren, verstehen, wie es den kindern geht, wenn sie etwas lernen SOLLEN. gedrängt werden, etwas zu lernen, was für sie gerade nicht anliegt – ???
wird denn dort (& in der dazugehörigen schule) auch die konsequenz daraus praktiziert … den kindern ihren lernplan selbst zu überlassen?
linnea
das klingt sehr, sehr spannend. ich hätte bei so etwas sicher die nerven verloren, meine akzeptanz geht leider nicht sehr weit, wenn etwas nicht im bereich des von mir planbaren liegt. ein echter abend zum lernen.
linnea