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Dezembertagebuch – Ruhe finden | Die letzten Schultage

Kaum zu glauben, dass der Entwurf für diesen Blogpost nun schon seit Beginn der Woche in meinem Entwurfsordner liegt. Zwischendrin habe ich hier und da einen Gedanken oder ein Bild hinzugefügt, nie aber haben Muße und Zeit gereicht, ganze Sätze zu formulieren. Am Abend bin ich so genervt vom Kunstlicht, dass ich nicht noch am Computer sitzen möchte. Gefühlt strengt mich die Dunkelheit dieses Jahr mehr an als sonst.

Die wenigen Sonnentage geniesse ich sehr. Ich habe sie für Spaziergänge genutzt und Zeit zwischen dem Grün der Bäume verbracht, Nebelschwaden bestaunt und Frostzauberein an den Bäumen bewundert.

Seit Mittwoch sind die Kinder daheim im Distanzunterricht, wie das jetzt so schön heisst. Der Sterngucker hatte ein paar Aufgaben, die er sich vorgenommen hat, dabei. Für den Wolf gab es ein freiwilliges Freiarbeitsangebot online und zwei Tests, die sie gern noch schreiben wollten, um frisch in das neue Schuljahr zu starten. Das ist auch kein Test im Sinne eines Tests an der Regelschule. Ich habe mich gefreut, dass der Wolf trotz freiwilligem Angebot morgens aufgestanden ist und sich dazugeschaltet hat. Wenn auch ohne Video. Er hat seine Tests geschrieben und dann Ferien eingeläutet. Ich bin nach wie vor sehr dankbar, wie gelassen und mit Fokus auf die Kinder die Schule mit der Situation umgeht.

Distanzbeschulung bedeutete auch für mich und den Mann, dass unsere Nachmittagskurse nicht mehr stattfanden. Wir beide sind bereits in einer Jahresendmüdigkeit und kümmern uns jetzt nur noch um die dringendsten Sachen, um danach entspannt in die Rauhnächte zu gehen. Meine Lieblingszeit des Jahres.

Geschäftiges Werkeln

Wir sind hier im Haus noch immer am Räumen und Umstrukturieren. Wir haben Zimmer getauscht, so dass ich jetzt ein eigenes kleines Reich habe. Ich freue mich schon sehr, es mir darin gemütlich zu machen. Der Wolf hat ein Bett bekommen (vorher lag die Matratze am Boden). Wir sortieren Spielsachen und Bücher aus, denen die Kinder (und wir) entwachsen sind. Die Tochter hat uns einen Second Hand Weihnachtsbaum organisiert. Den haben der Mann und sie am Freitag an ihrer Schule in München abgeholt. Ein prächtiges Kerlchen. Der wartet nun auf der Terrasse um Einlass in die gute Stube. Den Kindern bedeutet ein Weihnachtsbaum mehr als ich dachte.

Am Mittwoch war ich zur Posaunenchorprobe. Unter wenigen Konstellationen und strengen Vorgaben dürfen Proben noch stattfinden. So haben wir uns zu einer letzten und einzigen Probe mit einigen wenigen fortgeschritteneren Mitgliedern des Posaunenchors getrofffen, um einmal das Programm für die Adventsandacht am Sonntag durchzuspielen. Die wird draussen im Freien und mit ausreichend Abstand stattfinden. Hach, war das schön. Nach der Probe war ich noch zu einem Abendmahl am Feuer bei Freunden, auch mit Abstand und draussen. Das war für mich sehr besonders.

Der Rest der Woche war ein Jonglieren zwischen Arbeit, Wohlbefinden und diversen Erledigungen, die noch getan werden wollten. Wir haben einen Speiseplan für die kommenden Tage erstellt. Mit der Tochter durfte ich eine Tischtennisplatte abholen, die uns jemand schenkte. Mit dem kleinen Tochterauto und Anhänger sind wir dort hingefahren, haben sie aufgeladen und hergebracht. Ich muss sagen, da bin ich schon sehr dankbar, dass mein Vater mir schon gleich nachdem ich den Führerschein bekam, zugetraut hat, ein Auto mit Anhänger zu fahren. So konnte ich das üben und solche Dinge jetzt selbst in die Hand nehmen. Ein sehr cooles Gefühl.

An den Abenden stricke ich nach wie vor Socken. Diese eine Powerflower-Juli-Socke möchte ich unbedingt noch in diesem Jahr fertig stricken. Die Mai und Juni Socken sind nun schon vollständig (wenn auch ein farbliches Stückwerk, damit die Wolle gereicht hat). Wenn die letzte Socke dann fertig ist, habe ich in diesem Jahr 9 Sockenpaare gestrickt. Und sonst nichts anderes.

Gelesen

Nach einer einwöchigen Lesepause, wo ich nichtmal die Texte meines Adventskalenders gelesen habe, konnte ich letzte Woche die Dienstagsfrauen auf ihrer Fastenreise zu Ende begleiten. Jetzt lese ich weiter in Gunnar Engels “Follower”. Es geht um einen hörenden Lebensstil. Wie können wir Gott in unserem Alltag hören. Was braucht es, damit wir ihn hören können?

“Wenn wir seine ermunternde Stimme hören wollen, müssen wir auch seine ermahnende Stimme hören. Unsere Gesellschaft hat es sich angewöhnt, Gott als kleinen Bonus mitzuführen. Ein kleiner Segen hier und da. Ein kleines Gebet um Hilfe, wenn es nicht mehr klappt. Aber bitte nichts, was einschränken könnte. Oder etwas, das mich auf Bereiche meines Lebens hinweist, in denen ich vom Weg abgekommen bin.” S.118

Sehr interessante Aspekte. Wo ich immer wieder stolpere ist die Frage, woher ich weiss, dass Gott spricht (auch mit Mahnungen) oder ob es nicht die Vorstellungen von anderen Menschen sind. In der Bibel. Was ist Zeitgeist, was ist Gottes Botschaft? Entwickelt sich Gott weiter? Oder ist die Interpretation nur eine andere und er sagt immer das gleiche, egal wo wir stehen. Höre ich nur, was ich hören will? Steht mein Ego im Wege? Was mache ich mit dem, was ich höre? Auch wenn es unbequem ist?

Wofür ich dankbar bin

Oh, das ist momentan wirklich viel. Fast täglich kommt hier tollste Post von Blogleserinnen und Kursteilnehmerinnen an, die sich die zeit nehmen und mir echte Post (aber auch Emails) zu schicken mit Feedback, wärmenden Worten und Wertschätzung. Das tut mir so gut. Jemand nimmt sich für mich Zeit! Ich fühle mich reich beschenkt. Eine Tischtennisplatte für die Kinder, ein Weihnachtsbaum. Das gemeinsame Musizieren im Posaunenchor, das kleine Abendmahl am Feuer, Gespräche mit dem Mann, frostweisse Bäume, geheimnisvolles Geschenke-Verpacken, Adventsfenster im Ort entdecken. Ich bin dankbar für die Lieferanten, die bis spät in die Nacht noch Päckchen ausliefern, damit wir Weihnachtsgeschenke unter den Baum tun können, für unsere Gemüsekiste und dafür, dass wir alle gesund sind.

Notizen

Eine Blogleserin schrieb:

“Schreib doch mal deine Gedanken wie alles weitergehen soll. Für Leute die nicht im Home Office arbeiten können… Für Menschen die isoliert und einsam sind. Kinder die nicht mehr in die Schule dürfen. Fragst du dich nicht auch manchmal ob das alles noch normal ist. Gerade du bist doch so Heilkunde interessiert. Ist das was hier läuft natürlich. Sind die Menschen jetzt ferngesteuerte Roboter die nicht mehr ihr Haus verlassen dürfen und in existentielle Nöte geraten.”

Natürlich kann ich diese Fragen nicht beantworten, denn weder bin ich Politikern, noch Ärztin, Virologin oder Wirtschaftsfachfrau. Ich möchte auch nicht mit den Menschen tauschen wollen, die gerade Entscheidungen für ein ganzes Land zu treffen haben. Das finde ich oft genug schon in der Familie schwer und eine große Verantwortung. Aber ich kann ein paar Pandemiegedanken hier lassen.

Ich selbst suche Orientierung in der Flut an Informationen, ringe um meine Stabilität und suche einen Standpunkt in all dem. Und weil ich einen großen sowohl-als-auch Anteil in mir trage, finde ich in allem ein Körnchen Wahrheit. Das macht es mir schwer, Stellung zu etwas zu beziehen.

Ich schaue keine täglichen Nachrichten oder lese Input zum Corona-Virus und den Maßnahmen, sondern recherchiere gezielt, wenn ich Fragen habe oder mich etwas interessiert. Das ist meine Art, mich zu schützen. Es passiert schnell, dass ich in eine Angstspirale komme, wenn ich mir Grafiken und Zahlen anschaue, die nicht weiter ins Verhältnis gesetzt werden. Den Rest der Zeit bemühe ich mich, positiv zu bleiben. Gleichzeitig bin ich mir unserer sehr privilegierten Situation sehr bewusst. Wir leben auf dem Land, haben Platz, keine Not und unsere Kinder an einer privaten Schule.

Ist das alles noch normal?

Ist eine Pandemie normal? Was ist überhaupt normal? Für die einen ist das normalste, an die Wissenschaft zu glauben und daraus die Maßnahmen abzuleiten, für andere ist normal, so weiterzumachen wie bisher und die Toten als naturgegeben hinzunehmen. Was wäre ein “natürlicher” Umgang? Wo sind die Maßnahmen guter Wille, wo Machtspiel und Politik? Klar hätten manche Dinge anders laufen können, aber sind wir nicht alle Menschen? Ich weiss nicht einmal für meine eigenen Familie, wie ich manche Entscheidungen zu treffen habe.

Es ist ein stetes Trial and Error, ein Abwägen, nach vorn gehen, wieder zurück, den Kurs korrigieren, mich mit anderen beraten. Das wünsche ich mir auch von unseren PolitikerInnen. Transparenz, Eingestehen von Fehlern und Kurskorrekturen. Ich merke allein im Gespräch mit der Schulgemeinschaft, wie unterschiedlich die Bedürfnisse sind. Und wie unterschiedlich auch der Wille, sich persönlich für das Wohl der Gemeinschaft einzuschränken.

Ich möchte von meinem Gegenüber ernst genommen werden in meinen Ängsten. Wir haben es hier gerade mit ziemlich viel Angst zu tun. Also höre ich zu, schaue auch meine eigenen Ängste an, spreche darüber. Egal in welche Richtung. Die einen haben Angst vor dem Virus, die anderen um ihre Freiheit und Rechte. Angst ist kein guter Ratgeber. So entsteht schnell Spaltung und Erhitzung der Gemüter. Wovor sehen wir uns bedroht?

Hygieneregeln einhalten, ohne hysterisch zu sein

Ich halte mich an die empfohlenen Hygieneregeln, trage Maske und habe wenige Kontakte, mit denen ich mich treffe. Ich gehe zu keinen Parties oder Veranstaltungen, treffe mich meistens draussen. Ich habe keine Angst, meine Kinder in die Schule zu schicken und umarme meine Freundin. Wenn ich mir Zahlen anschaue, dann bemühe ich mich immer, sie ins Verhältnis zu setzen. Eine Kurve aller jemals erkrankten (und nun bereits genesenen) Menschen sieht dramatischer aus als eine Zahl aller momentan kranken Patienten im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Das ist schon auch ein Zahlending, was da läuft.

Mulmig wird mir aber doch, wenn ich berichte direkt von ÄrztInnen, PflegerInnen oder BestatterInnen aus der Praxis höre oder lese. Da ist etwas dran, da gibt es eine Not. Ob die Maßnahmen in diesem Umfang gerechtfertigt sind – ich weiss es nicht. Ich glaube aber, dass es keine so drastischen Maßnahmen geben müsste, wenn alle Menschen über ein Maß an Vernunft und Gemeinsinn verfügen würden und das Wohl der Gemeinschaft über das eigene Wohl stellen könnten – für eine kurze Zeit. Da kann sich jedeR fragen (ich eingeschlossen): Kann ich das? Wo kann ich es und wo sehe ich es nicht ein?

Wo kann ich helfen und mich einbringen?

Es bleibt also immer wieder ein Abwägen zwischen persönlichen Einschränkungen, Gemeinschaftswohl und Sicherheit. Ich halte die Empfehlungen ein, finde aber auch, dass wir im Detail schauen dürfen, wo wir Menschen in ihrer Not helfen können. Wo kann ich jemanden unterstützen (physisch, psychisch, spirituell, finanziell), Halt geben, Nähe zeigen (ich habe nicht aufgehört, den Kindern eine Hand auf den Rücken zu legen, wenn sie Trost brauchen) oder Beistand leisten. Wo kann ich mich sinnvoll einbringen, wie kann ich meinen Protest zeigen und meine Meinung kundtun, ohne andere zu gefährden oder zu diffamieren.

Gegenseitige Rücksichtnahme, Achtung auch vor den Ängsten der anderen und Einhalten von Empfehlungen. Von politischer Seite Transparenz, Eingestehen von Fehlern und notwendige Kurskorrekturen – In meiner Vorstellung klingt das so einfach.


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